Birgit Schlarmann
Textilkunst / Textile Art
Text: Daniel Wisser
Photo & Text: PRINZpod

fadenbrand

In der Arbeit „I sei sensi“ (Die sechs Sinne) 1972 – 73 bearbeitet Alighiero Boetti die fünf Sinne: Vedere (sehen), odorare
(riechen), gustare (schmecken), toccare (berühren), pensare
(denken). „Lampada annuale“ (Jahreslampe) 1966 ist ein
Lampenobjekt, welches einmal im Jahr unerwartet elf Sekunden lang aufleuchtet. Es soll, so der Autor, ein Hinweis sein auf
„ die unzähligen Ereignisse, die ohne unser Wissen oder unsere Teilnahme geschehen“.
Die Arbeiten von Birgit Schlarmann sind Zwitter. Wie Boetti greift auch sie auf einfache Materialien zurück, um einen
Grundzustand unserer Gesellschaft festzuhalten, zu zeigen.
Die Objekte könnten eben der arte povera enthoben sein, stehen aber auch in der besten Tradition zeitgenössischer Textilkunst, die dem Einfachen, dem Nächstliegenden, scheinbar Bedeutungslosen zur Transformation verhelfen. Elf Sekunden
leuchten, „Starmania“ im Glücksroulette.
Nicht Diamanten, Gold oder Geldscheine werden kunstvoll
gerollt, geklebt, gefasst. Nein, es ist Wolle eben dem Schaf entnommen, eine Nadel, Glasperlen und gefärbter Flitter. Glücksbringer nennt Birgit Schlarmann ihre gefilzten bestickten Schmuckobjekte. Jede Perle eine Bedeutung, jede Blüte ein Weg in eine andere Welt, die Bessere. Das Glück fest an Hals,
Händen, Brust deponiert, um der Transformation in einen
anderen Zustand, dem Geänderten näherzukommen.
Dem Glück kann man sich nur im Gesamten nähern, muss wie Boetti alle Sinne sammeln, um den Moment der „Lampada annuale“ nicht zu verpassen.
PRINZpod

Birgit Schlarmann arbeitet seit 2005 als Textilkünstlerin und lebt in Wien. Glücksbringer ist die erste Nummer der KünstlerInnenedition fadenbrand, welche Momente von aktuellem Kunstschaffen dokumentiert.